
Ein Juwel ist kein Schmuckstück, sondern ein präzisionsmechanisches System, dessen wahrer Wert von der strukturellen Integrität seiner Fassung abhängt – nicht nur vom Zertifikat des Steins.
- Die handwerkliche Qualität der Fassung hat einen größeren Einfluss auf den Wiederverkaufswert und die Sicherheit als oft angenommen.
- Minderwertige Fassungen, besonders bei Pavé-Ringen von Billiganbietern, führen fast zwangsläufig zu Steinverlust und hohen Reparaturkosten.
Empfehlung: Eignen Sie sich die Denkweise und die Prüfmethoden eines Gutachters an, um vor dem Kauf strukturelle Schwachstellen selbst zu identifizieren und teure Fehlentscheidungen zu vermeiden.
Für die meisten Käufer von Diamantschmuck ist die Prüfung der Qualität eine Blackbox, die mit den „4 Cs“ – Carat, Colour, Clarity und Cut – beginnt und endet. Man verlässt sich auf ein Zertifikat und die Aura des Juweliers. Doch die bittere Wahrheit, die viele erst durch den schmerzhaften Verlust eines Steins erfahren, ist: Der teuerste Diamant ist wertlos, wenn die Fassung versagt. Der Fokus auf den Stein allein lässt den kritischsten Faktor außer Acht: die mechanische Präzision und Haltbarkeit der Fassung, die den Edelstein sichern soll.
Die gängige Meinung ist, dass man Schmuck einfach regelmäßig vom Fachmann prüfen lassen sollte. Das ist reaktiv, nicht präventiv. Ein erfahrener Gutachter geht anders vor. Er betrachtet ein Schmuckstück nicht als Kunstobjekt, sondern als ein technisches System, bei dem jede Komponente – jede Kralle, jede Zarge, jede Gravur – einer forensischen Prüfung unterzogen wird. Die wahre Expertise liegt darin, die subtilen Anzeichen mangelhafter Verarbeitung zu erkennen, die für den Laien unsichtbar sind, aber unausweichlich zu Wertverlust und Beschädigung führen.
Dieser Artikel bricht mit der traditionellen Herangehensweise. Statt nur die Schönheit zu bewundern, werden Sie lernen, die strukturelle Integrität zu bewerten. Wir werden die verbreitete Annahme widerlegen, dass ein Zertifikat allein eine Garantie für Qualität ist. Stattdessen werden Sie die Denkweise eines Gemmologen anwenden, um die mechanischen Schwachstellen aufzudecken, die den Wiederverkaufswert Ihres Schmuckstücks tatsächlich bestimmen. Es geht nicht darum, ein Experte zu werden, sondern darum, die richtigen Fragen zu stellen und die verräterischen Details zu sehen, die über einen sicheren Wert oder einen teuren Verlust entscheiden.
Dieser Leitfaden ist in präzise, prüfbare Abschnitte unterteilt. Jeder Teil widmet sich einem kritischen Aspekt der Fassungsqualität, von der Analyse mit der Lupe bis zur Bewertung verschiedener Fassungsarten, um Ihnen ein fundiertes Urteilsvermögen zu vermitteln.
Inhaltsverzeichnis: Der Prüfplan eines Gutachters für Fassungsqualität
- Warum ein schlechter Schliff selbst den reinsten Diamanten stumpf wirken lässt?
- Wie Sie mit einer 10-fach Lupe lockere Steine erkennen, bevor Sie kaufen?
- Krappenfassung oder Zargenfassung: Welche hält den Stein sicherer bei täglicher Beanspruchung?
- Das Risiko von „Pavee“-Fassungen: Warum Sie bei Billiganbietern Steine verlieren werden
- Wann muss eine Platin-Kralle nachbearbeitet werden, um den Stein nicht zu verlieren?
- Warum unscharfe Schriftarten das sicherste Indiz für eine „Super-Fake“ sind?
- Analogie zur Haute Couture: Was ein Hemdkragen über die Fassungsqualität verrät
- Erlesene Farbedelsteine: Saphir oder Rubin als Alternative zum klassischen Diamanten?
Warum ein schlechter Schliff selbst den reinsten Diamanten stumpf wirken lässt?
Ein fundamentaler Fehler bei der Bewertung von Schmuck ist die isolierte Betrachtung des Diamanten. Ein Stein mit der Klassifizierung „lupenrein“ (IF) und perfekter Farbe (D) kann seinen Glanz und sein Feuer – seine Brillanz – vollständig verlieren, wenn die Fassung schlecht ausgeführt ist. Der Schliff des Diamanten ist darauf ausgelegt, Licht optimal zu reflektieren. Eine unsachgemäße Fassung, die zu viel Druck ausübt, den Stein verdreht oder die Lichtzufuhr blockiert, zerstört diese kalkulierte Präzision. Das Ergebnis ist ein „toter“ Stein, der trotz seiner inneren Qualität stumpf und leblos erscheint.
Die finanzielle Auswirkung ist enorm. Ein Schmuckstück wird als Gesamtkunstwerk bewertet, und eine mangelhafte Fassung degradiert das gesamte Stück. Laut Expertenbewertungen erzielt ein Diamant mit sehr guter Reinheit, aber nur mittelmäßigem Schliff oder schlechter Fassung im deutschen Wiederverkaufsmarkt oft 30-40% weniger als ein Diamant mit geringerer Reinheit, aber einer exzellenten Fassung, die seine Brillanz maximiert. Der Grund ist einfach: Das visuelle Ergebnis zählt. Niemand bezahlt den vollen Preis für einen Stein, dessen Potenzial durch schlechte Handwerkskunst zunichte gemacht wird.
Institutionen wie die Diamant Prüflabor GmbH (DPL) in Idar-Oberstein, die als einzige deutsche Prüfstelle nach ISO-Norm zertifiziert ist, bewerten Diamanten anonym und objektiv. Ihre Gutachten sind eine Referenz, aber sie bewerten den losen Stein. Ihre Aufgabe als Käufer ist es, die Qualität der Integration dieses Steins in das Schmuckstück zu beurteilen. Eine schlechte Fassung ist nicht nur ein ästhetisches Problem, sondern ein direkter Angriff auf den Wert Ihrer Investition.
Wie Sie mit einer 10-fach Lupe lockere Steine erkennen, bevor Sie kaufen?
Die 10-fach vergrößernde Juwelierlupe ist das wichtigste Instrument eines Gutachters. Sie ist kein Werkzeug für Experten, sondern ein für jeden zugängliches Mittel, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Ein kurzer, aber systematischer Blick auf die Fassung unter Vergrößerung offenbart mehr über die Qualität als jedes Verkaufsgespräch. Sie suchen nach Präzision und verräterischen Spuren von Nachlässigkeit. Achten Sie auf die Krappen (die kleinen Metallarme, die den Stein halten): Sind sie gleichmäßig geformt und poliert? Sehen Sie Kratzer oder Werkzeugspuren? Solche Details sind rote Flaggen, die auf hastige oder ungelernte Arbeit hindeuten.
Unter der Lupe muss der Stein perfekt und spannungsfrei in seiner Fassung sitzen. Der Gürtel des Steins (die breiteste Kante) sollte gleichmäßig von den Krappen oder der Zarge umschlossen sein. Gibt es ungleichmäßige Lücken, ist das ein klares Indiz für eine schlecht vorbereitete Fassung, die früher oder später nachgeben wird. Diese forensische Prüfung dauert nur wenige Minuten, kann Sie aber vor einem erheblichen Verlust bewahren.

Wie die Edelsteinfasser-Experten von KLENOTA präzise erklären, ist die handwerkliche Ausführung der Krappen entscheidend für die Sicherheit des Steins. Ihre Analyse unterstreicht die Komplexität, die für Laien oft unsichtbar bleibt:
Die Entscheidung über die Anzahl der Krappen hängt vom Schmuckdesign, aber vor allem von Schliff und Größe des Edelsteins ab. Jede Krappe hat eine kleine Nut (eine Kerbe), in die der Stein perfekt passen muss. Diese Nut muss je nach Steingröße richtig ausgerichtet werden, bei allen Krappen an derselben Stelle liegen und darf nicht zu tief sein, sodass die Krappe nicht brechen kann.
– KLENOTA Edelsteinfasser-Experten, KLENOTA Blog über Edelsteinfassung
Diese technische Beschreibung macht deutlich: Eine Fassung ist kein Zufallsprodukt. Sie ist das Ergebnis millimetergenauer Arbeit. Mit den richtigen Prüfschritten können Sie diese Qualität selbst beurteilen.
Ihr Juwelen-TÜV: Checkliste zur Prüfung vor Ort
- Akustik-Test: Tippen Sie mit einer Pinzette (oder einem Fingernagel) SEHR LEICHT seitlich gegen den Stein. Ein leises „Klirren“ oder eine spürbare Bewegung ist ein absolutes K.o.-Kriterium und deutet auf einen lockeren Stein hin.
- Spurensuche: Untersuchen Sie jede einzelne Krappe mit der Lupe auf Bearbeitungsspuren, Kratzer oder ungleichmäßige Oberflächen. Perfekte Arbeit hinterlässt keine Spuren.
- Symmetrie-Prüfung: Prüfen Sie, ob der Stein gürtelseitig überall gleichmäßig und auf gleicher Höhe gefasst ist. Jede Asymmetrie ist ein Warnsignal.
- Nut-Analyse: Betrachten Sie die winzigen Kerben (Nuten) in den Krappen, in denen der Stein sitzt. Sie müssen exakt zum Gürtel des Steins passen und dürfen keine Risse aufweisen.
- Beweissicherung: Dokumentieren Sie den Zustand des Schmuckstücks beim Kauf, idealerweise durch ein kurzes Video zusammen mit dem Verkäufer. Dies stärkt Ihre Position im Rahmen der gesetzlichen Gewährleistung in Deutschland.
Krappenfassung oder Zargenfassung: Welche hält den Stein sicherer bei täglicher Beanspruchung?
Die Wahl zwischen einer Krappenfassung und einer Zargenfassung ist weit mehr als eine Frage des Geschmacks. Es ist eine strategische Entscheidung über Sicherheit und Langlebigkeit, besonders bei einem aktiven Lebensstil. Die Krappenfassung hebt den Stein hervor und ermöglicht maximalen Lichteinfall, was die Brillanz fördert. Ihr Nachteil ist die exponierte Lage des Steins. Die Krappen können sich an Kleidung, insbesondere an Pullovern, verhaken und verbiegen. Dies lockert den Stein und erhöht das Verlustrisiko. Besonders Krappen aus weicherem Gold wie Weißgold nutzen sich schneller ab und erfordern regelmäßige Inspektionen und Nachbesserungen.
Die Zargenfassung hingegen umschließt den Edelstein vollständig mit einem Metallrand. Dies bietet den ultimativen Schutz vor Stößen und äußeren Einflüssen. Der Stein sitzt tief und sicher, was diese Fassungsart zur ersten Wahl für den täglichen Gebrauch und für Personen mit einem aktiven Alltag macht. Der Lichteinfall ist zwar etwas reduziert, aber der Sicherheitsgewinn ist immens. Versicherer wissen das: Deutsche Schmuckversicherer wie die Mannheimer Versicherung berücksichtigen die Fassungsart bei der Prämienberechnung – Zargenfassungen erhalten oft günstigere Konditionen aufgrund des signifikant geringeren Verlustrisikos.
Die langfristigen Kostenunterschiede sind ebenfalls erheblich. Während eine Zargenfassung praktisch wartungsfrei ist, erfordert eine Krappenfassung regelmäßige Kontrollen und potenziell teure Reparaturen. Der folgende Vergleich zeigt die Gesamtkosten über einen Zeitraum von 20 Jahren und macht die finanzielle Dimension dieser Entscheidung deutlich.
| Fassungsart | Wartungsintervall | Kosten pro Prüfung | 20-Jahre-Gesamtkosten | Sicherheit für aktiven Alltag |
|---|---|---|---|---|
| Krappenfassung | Alle 5-7 Jahre | 50-100 € | 200-400 € | Mittel – anfällig bei Pullovern |
| Zargenfassung | Quasi wartungsfrei | 0 € | 0 € | Hoch – optimaler Schutz |
| Weißgold-Krappen | Alle 3-5 Jahre + Rhodinierung | 80-150 € | 480-900 € | Niedrig nach Abrieb |
| Platin-Krappen | Alle 5-7 Jahre | 80-200 € | 320-800 € | Sehr hoch – durchgehend zäh |
Das Risiko von „Pavee“-Fassungen: Warum Sie bei Billiganbietern Steine verlieren werden
Die Pavé-Fassung (von frz. „pavé“ für Pflasterstein), bei der viele kleine Diamanten dicht an dicht gesetzt werden, erzeugt eine spektakulär funkelnde Oberfläche. Doch gerade hier trennt sich die handwerkliche Spreu vom Weizen auf brutalste Weise. Eine hochwertige Pavé-Fassung ist eine Meisterleistung der Goldschmiedekunst. Jeder Stein sitzt in einer präzise gebohrten Vertiefung und wird von winzigen, perfekt geformten Körnchen aus Metall gehalten. Bei Billiganbietern und in der Massenproduktion wird dieser Prozess jedoch oft grob vereinfacht: Die Steine werden in vorgegossene Löcher gedrückt und das Metall nur oberflächlich darüber gerieben. Das Resultat: Die Steine fallen heraus. Oft schon nach wenigen Monaten.
Dies verwandelt ein vermeintliches Schnäppchen schnell in eine Kostenfalle. Der „Total Cost of Ownership“ explodiert. Eine Beispielrechnung deutscher Juweliere zeigt, dass ein Ring für 499 € durch den Verlust von nur drei kleinen Steinen und die anschließende Reparatur (ca. 50-80 € pro Stein in Deutschland) schnell Gesamtkosten von 650-740 € verursachen kann – vorausgesetzt, eine Reparatur ist überhaupt möglich. Bei billigen Pavé-Ringen ist oft selbst eine simple Größenänderung unmöglich, ohne dass Steine herausfallen, da die Spannung im Metallring verloren geht.

Als Käufer müssen Sie lernen, die roten Flaggen zu erkennen, bevor es zu spät ist. Ein kritischer Blick und die richtigen Fragen sind Ihr bester Schutz:
- Fragen Sie nach der Werkstatt: Eine der wichtigsten Fragen lautet: „Erfolgt eine eventuelle Reparatur in einer hauseigenen Meisterwerkstatt?“ Anbieter ohne eigene Werkstatt sind oft nur Händler, die keine Kontrolle über die Fertigungsqualität haben.
- Vorsicht bei Kaufhausketten: Große Ketten ohne angeschlossene Goldschmiede sind oft auf Massenware angewiesen, deren Qualität stark schwankt.
- Prüfen Sie die Wandstärke: Fahren Sie mit dem Finger über die Innenseite des Rings. Fühlt sich das Metall dünn und leicht an, ist es ein Zeichen für Materialeinsparung und ein hohes Risiko für Steinverlust.
- Meiden Sie „Urlaubsjuweliere“: Angebote aus dem Ausland sind oft nicht nach deutschen Handwerksstandards gefertigt und eine spätere Reklamation ist nahezu unmöglich. Achten Sie auf eine Zertifizierung durch eine deutsche Handwerkskammer.
Wann muss eine Platin-Kralle nachbearbeitet werden, um den Stein nicht zu verlieren?
Platin gilt als das edelste und sicherste Metall für Fassungen, insbesondere für Krappen. Im Gegensatz zu Gold, das bei Abrieb Material verliert, ist Platin extrem zäh und wird bei einem Stoß oder Kratzer eher verformt bzw. das Material verschiebt sich. Diese Zähigkeit macht Platin-Krappen sehr sicher. Doch auch sie sind nicht unzerstörbar. Über Jahre hinweg können auch sie durch wiederholte Stöße eine Materialermüdung erfahren und an Spannung verlieren. Eine „müde“ Kralle liegt nicht mehr perfekt am Stein an und kann sich leicht verbiegen, was den Stein lockert. Das Tückische daran ist, dass dieser Prozess schleichend und für das bloße Auge zunächst unsichtbar ist.
Die Wartung einer Platin-Fassung erfordert daher Disziplin und das Wissen um die spezifischen Eigenschaften des Materials. Der Prozess des „Nachziehens“ oder Verstärkens einer Platinkralle ist aufwendiger als bei Gold. Er erfordert oft ein spezielles Laserschweißgerät, da der Schmelzpunkt von Platin deutlich höher ist. Nicht jede Goldschmiedewerkstatt ist dafür ausgerüstet. Es ist daher unerlässlich, vor einer Reparatur zu erfragen, ob die Werkstatt über die notwendige Technologie für Platinarbeiten verfügt.
Die Komplexität der Fassungsarbeit wird deutlich, wenn man den traditionellen Prozess betrachtet, den Experten beschreiben:
Dazu benutzt der Edelsteinfasser einen so genannten Fasserpunzen, ein quadratisches Stahlstück… Mit einem speziellen Hammer (Ziselier- oder Fasserhammer…) wird der Punzen… über den leicht über den Edelstein überstehenden Metallrand bzw. Zargenrand geführt. Dabei wird dieser an den Stein gedrückt, bis er ihn anschmiegend umschließt und befestigt. Mit einem heutzutage modernen mechanischen Fasserhammer wird die sonst von Hand mit dem Hammer ausgeführte schnelle Schlagbewegung… in ein Handstück übersetzt.
– Wikipedia – Edelsteinfasser, Fachbeschreibung der Edelsteinfasser-Techniken
Diese detaillierte Beschreibung zeigt, dass das Fassen von Steinen ein hochspezialisiertes Handwerk ist. Für Besitzer von Platinschmuck bedeutet das, einen Wartungsplan zu befolgen, um die Sicherheit der Investition langfristig zu gewährleisten.
- Visuelle Selbstprüfung (alle 6 Monate): Untersuchen Sie jede Kralle mit einer Lupe. Achten Sie auf feinste Verbiegungen oder kleine Lücken zwischen Kralle und Stein.
- Professionelle Prüfung (alle 5-7 Jahre): Lassen Sie die Fassung von einem Goldschmiedemeister prüfen, idealerweise in einer Werkstatt mit Platin-Expertise.
- Kosten einplanen: Das Nachziehen oder Anlasern einer Platinkralle kostet in Deutschland je nach Aufwand zwischen 80 und 200 Euro. Diese Kosten sind Teil der Gesamtinvestition.
Warum unscharfe Schriftarten das sicherste Indiz für eine „Super-Fake“ sind?
Die forensische Prüfung eines Schmuckstücks geht über den Edelstein hinaus und umfasst alle Details – insbesondere die Gravuren und Punzierungen. In Deutschland sind der Feingehaltsstempel (z.B. „750“ für 18 Karat Gold) und die Verantwortlichkeitsmarke (Herstellerpunze) gesetzlich vorgeschrieben. Diese Stempel sind bei Originalstücken das Ergebnis eines präzisen mechanischen Prozesses: Sie werden entweder mit scharfen Stahlstempeln geschlagen oder mit einem Laser graviert. Das Resultat sind immer klare, scharfkantige und tief eingeprägte Zeichen.
Bei Fälschungen, selbst bei sogenannten „Super-Fakes“, wird hier oft gespart. Anstatt die Punzen nachträglich präzise einzubringen, wird das gesamte Schmuckstück mitsamt den Gravuren in einem Gussverfahren hergestellt. Durch diesen Prozess wirken die Kanten der Buchstaben und Zahlen „verwaschen“, „weich“ oder „matschig“. Die Präzision fehlt vollständig. Das Fehlen, die falsche Positionierung oder die Unschärfe dieser Stempel ist daher eines der sichersten und schnellsten Indizien, um eine Fälschung zu entlarven.
Diese Detailprüfung erstreckt sich auf alle gravierten Elemente, einschließlich Markennamen oder Seriennummern. Bei hochwertigen Uhren beispielsweise sind selbst die winzigen Schraubenköpfe perfekt geschliffen und poliert – bei Fälschungen wird hier gespart. Wenn Sie den geringsten Zweifel an der Authentizität haben, ist der Gang zum Experten unumgänglich. So finden Sie den richtigen Ansprechpartner in Deutschland:
- Finden Sie öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige über Ihre lokale Industrie- und Handelskammer (IHK).
- Suchen Sie nach Gutachtern, die mit modernen Geräten wie Raman- & Photolumineszenz-Spektrometern arbeiten, um Materialanalysen durchzuführen.
- Bei höchstem Verdacht bleibt eine professionelle Prüfung im deutschen Edelsteinzentrum Idar-Oberstein die ultimative Instanz.
Analogie zur Haute Couture: Was ein Hemdkragen über die Fassungsqualität verrät
Um die Bedeutung der Fassung wirklich zu verstehen, hilft eine Analogie aus einem anderen Bereich der Luxusgüter: der Haute Couture. Stellen Sie sich ein maßgeschneidertes Hemd aus feinstem ägyptischen Baumwollstoff vor. Nun stellen Sie sich vor, der Kragen dieses Hemdes ist schief genäht, die Einlage ist billig und wellt sich nach dem ersten Waschen. Das gesamte Kleidungsstück, egal wie teuer der Stoff war, ist ruiniert. Der Kragen ist die „Fassung“ für das Gesicht, und seine Verarbeitung entscheidet über die Gesamtwirkung und Wertigkeit.
Genau dieses Prinzip gilt für Schmuck. Die Fassung ist der „Kragen“ für den Edelstein. Eine schlechte Fassung entwertet einen teuren Edelstein genauso wie ein schlechter Kragen ein teures Hemd. In beiden Welten sind es die unscheinbaren Details, die über wahre Qualität entscheiden. Bei einem hochwertigen Hemd sind es die hohe Stichdichte, die auf Stoß genähten Kragenspitzen und die Qualität der Einlagen. Bei einer hochwertigen Fassung sind es die Politur der Krappeninnenseiten, die Präzision der Nuten und die homogene Wandstärke der Zarge.
Diese Analogie lehrt uns eine entscheidende Lektion: Der Wert eines Luxusobjekts liegt nicht im Rohmaterial allein, sondern in der Kunst seiner Verarbeitung. Ein Käufer, der nur auf das Karatgewicht eines Diamanten schaut, ist wie ein Hemdenkäufer, der nur den Stoff fühlt, aber den Kragen ignoriert. Ein geschulter Blick lernt, die Qualität der „Konstruktion“ zu bewerten, denn sie ist es, die Haltbarkeit, Ästhetik und letztendlich den wahren Wert definiert.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Schmuckstück ist ein mechanisches System; seine strukturelle Integrität ist wichtiger als das Zertifikat allein.
- Die forensische Prüfung mit einer 10-fach-Lupe ist die effektivste Methode für Laien, um handwerkliche Mängel vor dem Kauf zu erkennen.
- Billige Pavé-Fassungen sind Kostenfallen. Der „Total Cost of Ownership“ durch Reparaturen übersteigt oft den ursprünglichen Kaufpreis.
Erlesene Farbedelsteine: Saphir oder Rubin als Alternative zum klassischen Diamanten?
Während der Diamantenmarkt stark standardisiert ist, bietet der Markt für Farbedelsteine wie Saphire, Rubine und Smaragde eine faszinierende Alternative für Kenner. Oft kann ein unbehandelter, hochwertiger Rubin aus Sri Lanka eine bessere Wertanlage sein als ein mittelmäßiger Diamant der gleichen Preisklasse. Der Markt ist weniger transparent und bietet dadurch Chancen für informierte Käufer. Doch gerade hier ist das Verständnis für die richtige Fassung überlebenswichtig, da die physikalischen Eigenschaften dieser Steine stark variieren.
Die Härte eines Edelsteins, gemessen auf der Mohs’schen Skala, diktiert die Wahl der Fassung. Ein Diamant hat die Härte 10 und ist extrem widerstandsfähig. Ein Saphir oder Rubin (Korund-Familie) hat die Härte 9 und ist ebenfalls sehr robust. Die Mohs’sche Härteskala zeigt praktisch, dass ein Saphir eine filigrane Krappenfassung gut verträgt. Ein Smaragd hingegen hat eine Härte von nur 7,5-8 und ist zudem oft von feinen Einschlüssen durchzogen, die ihn spröder machen. Ihn in eine exponierte Krappenfassung zu setzen, ist grob fahrlässig. Ein Smaragd gehört in eine schützende Zargenfassung; dort bleibt er statistisch gesehen bis zu 40% länger unbeschädigt.
Das Wissen um diese Zusammenhänge ist entscheidend. Deutschland hat eine lange Geschichte in der Edelsteinbearbeitung und -synthese, die bis zur Edelsteinfabrik der IG Farben in den 1930er Jahren zurückreicht. Institutionen wie die Deutsche Gemmologische Gesellschaft e.V. in Idar-Oberstein sind heute noch globale Referenzpunkte für den Handel und die Bewertung von Farbedelsteinen. Ein Käufer, der sich hier informiert, kann kluge Entscheidungen treffen, die über den standardisierten Diamantenmarkt hinausgehen.
Um diese Prinzipien in die Praxis umzusetzen, bedarf es einer konsequenten Anwendung dieser gutachterlichen Denkweise bei jeder zukünftigen Bewertung. Betrachten Sie jedes Schmuckstück als technischen Prüfling und vertrauen Sie Ihrem geschulten Auge mehr als jedem Verkaufsversprechen.